Wie die Generationen voneinander lernen
Bernhard Schlink beim Bildungsforum in Menden
von Aylin Düger
Am 28.11.2022 war der bekannte Jurist und Autor Bernhard Schlink zu Gast beim „Bildungsforum Schule“. Er folgte damit einer Einladung der von Beate Sänger und Alexander Zibis betreuten Philosophie AG des Gymnasiums an der Hönne in Menden.
Wie üblich traf man sich zunächst im kleineren Kreis der AG-Teilnehmer/innen, wo eine Schülerin die Gelegenheit nutzte, einige Fragen bezüglich ihrer Facharbeit über den Roman „Der Vorleser“ an den Autor selbst zu richten.
Danach ging es aber vor allem um das im vergangenen Jahr erschienene Werk „20. Juli“, in dem Schlink angehende Abiturienten über die Legitimität des Tyrannenmords diskutieren lässt. Hier durften die überwiegend pazifistisch argumentierenden Schüler/innen zum ersten Mal von der beeindruckenden Klarheit und Streitfreudigkeit Bernhard Schlinks profitieren, der keinen Zweifel daran ließ, dass seines Erachtens die Tötung eines Diktators als ein Akt der Notwehr durchaus gerechtfertigt sein kann.
Nach einer kurzen Pause wurde mit der Abendveranstaltung in der Aula des Gymnasiums insbesondere an die Thematik seines ebenfalls im vergangen Jahr erschienenen Romans „Die Enkelin“ angeknüpft. Das Moderatorenteam, bestehend aus den Q2-Schülern Johanna Kießler, Idal Gönül, Benjamin Barthel und Geylani Karakas, führte mit Schlink ein Gespräch darüber, was die Generationen voneinander lernen können und sollen.
In allen Fragen der Schülermoderatoren ging es um das Lernen aus der Vergangenheit und die Verantwortung für die Zukunft. Heutzutage verurteile man oftmals Handlungen, ohne genau hinzuschauen und zu hinterfragen, warum bestimmte Dinge getan wurden und wie es zu besonderen Ereignissen gekommen sei. Um wirklich aus der Geschichte lernen zu können, dürfe man nicht vorschnell und undifferenziert moralisieren, waren sich die Gesprächsteilnehmer einig.
Im Anschluss an die Vergangenheitsbewältigung ging es naheliegenderweise auch um den gegenwärtigen Populismus. Aus Schlinks Sicht entsteht dieser vor allem dort, wo Menschen auf sozialen und ökonomischen Abstieg mit Angst reagieren. Auch hier sei ein vorurteilsfreier, aktiver Austausch besonders wichtig. Statt Konfrontationen durch Ab- und Ausgrenzung zu vermeiden, müsse das Gespräch mit anders lebenden und anders denkenden gesucht werden. Auf diese Weise das Schwarz-Weiß-Denken zu überwinden, sei die Verantwortung aller Generationen.
Der zwischenmenschliche Austausch sollte nach Bernhard Schlink auch im Hinblick auf einen weiteren thematischen Schwerpunkt, die Beziehung zwischen Ost- und Westdeutschland, die Hauptrolle spielen. Gerade da, wo große Differenzen vorhanden seien, hülfen nur echte Begegnungen. Konkret schlägt er Programme für den Schüleraustausch zwischen westdeutschen und ostdeutschen Schulen vor, aber auch über Reisen und die bewusste Wahl eines Studienplatzes in Leipzig oder Dresden ließen sich wertvolle Verbindungen knüpfen und die gesamtdeutsche Kommunikation entscheidend verbessern.
Mit Blick auf die verschiedenen Altersgruppen sei insgesamt festzustellen, dass die Generationen bereits viel mehr miteinander sprechen, als das früher der Fall gewesen sei, wobei vor allem die Beziehung zwischen Großeltern und Enkelkindern sehr gut funktioniere. Im Gegensatz zu den Eltern, haben die Großeltern in der Regel keine erzieherischen Pflichten, was ein freieres Verhältnis möglich mache. Von Eltern, die die besten Freunde ihrer Kinder sein wollen, hält Schlink hingegen nichts, weil sie damit ihrer pädagogischen Verantwortung auswichen.
Mit ihren Gedanken über die Vergangenheit und die Verantwortung verschiedener Generationen gelang es den Moderatorinnen und Moderatoren auch, eine offene und vielfältige Fragerunde sowie eine daran anschließende Diskussion mit Publikum anzuregen. Dabei wurde zu verschiedensten Themen kontrovers diskutiert, wie etwa bezüglich der Aktionen der „Letzten Generation“ oder auch der Strategie Emanzipation durch das „Gendern“ zu befördern.
Schlink bezog jeweils sehr klar Stellung, vertrat dabei auch unpopuläre Standpunkte und fragte immer wieder grundlegend nach dem Sinn und Zweck bestimmter Aktionen sowie der jeweils dahinterstehenden Haltung. Das führte dazu, dass sich zahlreiche Zuschauer/innen mit ihren Fragen und Kommentaren an der lebhaften Auseinandersetzung beteiligten. Auf diese Weise wurde man dem vorab formulierten eigenen Anspruch auf einen mutigen Meinungsaustausch gerecht und viele Ideen konnten miteinander geteilt werden, sodass die Generationen an diesem Abend vielleicht wirklich etwas voneinander lernen konnten.
Die Veranstaltung mit Bernhard Schlink war schon die zehnte des „Bildungsforums Schule“ und die Philosophie AG plant bereits weitere spannende Begegnungen für das kommende Jahr.